Nun liegen also erste Untersuchungsergebnisse über die Auswirkungen von Studiengebühren auf die Studierwilligkeit vor. Nach einigem Hin-und-Her – so der SPIEGEL – legt HIS nunmehr den Bericht überAuswirkungen von Studiengebühren auf das Studierverhalten vor [Christoph Heine, Heiko Quast & Heike Spangenberg (2008). Studiengebühren aus der Sicht von Studienberechtigten. Finanzierung und Auswirkungen auf Studienpläne und -strategien], zu erhalten unter http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-200815.pdf.
Zitat aus der Untersuchung:
Durch die Einführung von Studiengebühren verzichtet eine nennenswerte Zahl von Studienberechtigten auf das ursprünglich beabsichtigte Studium (Jahrgang 2006: zwischen 6.000 und 18.000). Insbesondere Frauen und Studienberechtigte aus hochschulfernen Elternhäusern entscheiden sich aufgrund von Studiengebühren gegen ein Studium.
Der erste Satz wäre ja noch verkraftbar (prozentual ist das nicht so viel bei 313.000 Studienanfängern im WS 2008), aber der zweite enthält für mich die politische Sprengkraft: Unser Bildungssystem ist wieder einmal voreingenommen in bezug auf die soziale Herkunft.
Was schon in der PISA-Studie 2006 moniert wurde (Deutschland hat die stärksten sozialen Disparitäten), erweist sich nun konsequent auch im Hochschulbereich. Ein faires Bildungssystem sollte nicht die soziale Schichtung reproduzieren, sondern leistungsabhängige Förderung betreiben. Nicht der soziale Status der Eltern, sondern die Fähigkeiten und Begabungen der Schülerinnen und Studierenden sollten ausschlaggebend für die Bildungskarriere sein.
Hier ist dringend Nachbesserungsbedarf geboten, sei es durch Abschaffung der Studiengebühren – das wäre die klarste und einfachste Lösung – , durch ein Stipendiensystem für sozial Schwache, durch ein System nachlaufender statt gleichzeitiger Gebühren oder durch noch einen anderen Weg wie z.B. Bildungsgutscheine. Auf jeden Fall muss gegen die Disparität unseres Bildungssystems angegangen werden.
Der Rückzug von Bund und Land aus der Hochschulfinanzierung (und ein Nicht-Steigern der Zuwendungen ist angesichts inflationär steigender Preise der großen Verlage, angesichts steigender Energiekosten und angesichts verfallender Hochschulbauten real ein massiver Rückzug!) muss aufgehalten werden – es kann nicht sein, dass viele Milliarden zur Rettung unserer Finanzsysteme aufgeboten werden, aber die Rettung des Bildungssystems hintan gestellt wird. Im Bundeshaushalt 2008 wird 3x mehr für Verteidigung (29.5 Mrd) als für Bildung und Forschung (9.4 Mrd) aufgewendet.
Das Finanzsystem ist sehr viel einfacher gestrickt: Am Schwarzen Freitag sinkt plötzlich (für eine Insider nicht ganz überraschend) der Dow Jones oder der Dax auf einen Tiefstwert, an dem nun wirklich jeder Jonny Depp das Desaster ablesen kann. Das Desaster im Bildungswesen kann man leider nicht so einfach an einem kleinen Index ablesen und es kommt auch nicht über Nacht, sondern schleichend. Dafür dürften die Auswirkungen einer derartigen Bildungskatastrophe viel schlimmer – weil nicht wie bei der Bankenkrise kurzfristig innerhalb einer Woche behebbar – sein…
Nachtrag 1.12.08: Die Veröffentlichungen der Studierendenzahlen zum WS 08 zeigen einen erfreulichen Anstieg (noch erfreulicher wäre ein zeitgleicher Anstieg in der Finanzierung), wobei dieser in Ländern mit und ohne Studiengebühren gleichermaßen erfolgt: http://www.zeit.de/2008/49/B-Studentenzahlen Also vielleicht doch keine so abschreckende Wirkung?
Keine Antworten