Gastvortrag Jochen Musch: Menschliches und maschinelles Schachspielen

Gestern abend hat Jochen Musch (Uni Düsseldorf) den zweiten Teil seines Vortrags über menschliches und maschinelles Schachspielen gehalten. Ein paar Ergebnisse in Kurzform: (1) Vom Ergebnis sind menschliche und maschinelle Spielzüge nicht zu unterscheiden. (2) Das Produzieren dieser Spielzüge erfolgt allerdings auf völlig verschiedene Weise: im menschlichen Fall durch Rückgriff auf Wissen, das von Experten in Tausenden von Stunden angeeignet wurde, im maschinellen Fall durch intelligente Suchprozeduren und ausgeklügelte Bewertungsalgorithmen, die auf gar keinen Fall durch Lernprozesse verändert werden dürfen.

Die besten Schach-Engines (z.B. Rybka) haben Elo-Kennzahlen oberhalb von Weltmeistern (by the way: diese Spielstärke erzielen sie erst nach etwa 10 Zügen – für die Eröffnungszüge wird auf eine Bibliothek zurückgegriffen, da sind die Computerprogramme ansonsten eher hilflos). Gute Schachprogramme können daher für Forschungszwecke als Gold-Standard herangezogen werde(das ist so, als würde man die Weltmeister um ein Urteil bitten).

Interessant ist, dass selbst starker Zeitdruck die Qualität von Spielzügen nur geringfügig verschlechtert. Erst beim Bullet-Schach, wo jedem Spieler für die gesamte Partie 1 Minute Bedenkzeit zur Verfügung steht (!), kommt es zu leichten Verschlechterungen, aber selbst unter diesen Extrembedingungen kommt es nur in etwa 4% der Züge zu einem „blunder“ (Patzer) und gut 40% der Züge entsprechen dem Vorschlag von Rybka, das dafür eine Suchtiefe von 14 Halbzügen zugrunde legt.

Insgesamt also eine verblüffende Leistung, die Menschen hier auf völlig andere Weise als ihre maschinellen Gegenspieler erbringen. Das genaue „Wie“ menschlicher Spielzüge bleibt trotz dieser erhellenden Untersuchungsbefunde immer noch ein Stück weit im Nebel. Jochen Musch sieht im Schachspiel ein wunderbares Forschungsobjekt, denn die Verfügbarkeit eines klaren Massstabes ist natürlich vom Feinsten!
Was mich daran beschäftigt: Ist das Problemlösen? Ja, denn vom Ergebnis her wird ein Handlungsplan realisiert, der sehr zielführend und damit problemlösend ist. Nein, denn dieser Prozeß scheint hochgradig automatisiert und wissenslastig abzulaufen. Eigentlich scheint es mir eher in die Kategorie der Expertiseforschung zu gehören (es geht um „skills“). Die Probleme kommen immer aus derselben Domäne, die Operatoren sind immer gleich, nur die Abfolge kann kreative Elemente enthalten. Komplexes Problemlösen scheint für mich darüber hinauszugehen.

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