In ihrer monatlichen Kolumne hat die Präsidentin der Association for Psychological Science, Ann Morton Gernsbacher, im Februar-Heft des APS Observers einen wunderbaren Beitrag geschrieben, in dem sie sich mit psychologischen Arbeiten zum Thema „kein Mensch sein“ befasst (siehe On not being human). Anlass dazu gab das gerade preisgekröntes, 2002 erschienene Buch von Steven Pinker „The blank slate“, in dem er Autisten von anderen Menschen abgrenzt und sie auf eine Ebene mit Schimpansen und Robotern stellt.
Über einen viel zitierten Artikel von Michael Tomasello (2005, Behavioral Brain Sciences), der am Leipziger Max-Planck-Institut arbeitet, schreibt Frau Gernsbacher:
In a more recent scholarly article, also written with the aim of delineating “the crucial difference between human cognition and that of other species,” autistic people were again segregated from other humans and placed with great apes. After acknowledging that the empirical literature demonstrates that “great apes and children with autism are clearly not blind to all aspects of intentional action,” the authors raised the bar (“understanding the intentional actions and perceptions of others is not by itself sufficient to produce humanlike social and cultural activities”), and continued to pound home their belief that autistic children do not “engage socially and culturally with others in the ways that human children do”; they do not “interact with other persons in the species-typical manner.” Their social behavior is just not human.
Warum sind solche Aussagen wie die von Pinker oder Tomasello (die Liste kann verlängert werden durch die Namen Bryna Siegel, Peter Hobson, Fred Volkmar, Thomas R. Insel, V.S. Ramachandran, Ivar Lovaas, Paul Bloomein) Grund sich aufzuregen?
Vor einigen Jahrhunderten wurde ernsthaft darum gestritten, ob Frauen Menschen seien. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es Nationalsozialisten, die vehement bestritten, dass Juden Menschen seien. Und jetzt gibt es eine erneute wissenschaftlich geführte Ausgrenzungsdebatte, ob Autisten Menschen seien. Skandalös!
Gibt es wirklich Zweifel daran, was einen Menschen ausmacht? Warum müssen bestimmte Erscheinungsformen ausgegrenzt werden? Darauf gibt es eine klare Antwort: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Dieser Satz ist nicht grundlos der erste in unserem Grundgesetz. Aus ihm leitet sich unser gesellschaftliches Selbstverständnis im Umgang miteinander ab. Dies sollten auch Wissenschaftler akzeptieren. Oder brauchen wir einen Grundkurs „Ethik für Psychologen“?